Ich kassierte ab oder sortierte Pappen im Hinterzimmer, während meine Mutter vorn am Tresen stand und mein Vater hinten im Studio. Ich flitzte zwischen dem Kühlschrank voller Kodak- Filmen und den teuren Studiokameras hin und her und wusste: wenn ich groß bin, werde ich Fotograf. Astronaut konnte ja jeder werden. [...]
Kurzbiographie für einen selbstständigen Fotografen

Sommer 1995

Bereits im Alter von 3 Jahren war ich fleißiger Mitarbeiter und Dreikäsehoch bei „Foto Gläser“, dem Fotoladen meiner Eltern, gegründet 1938 von Opa Gläser als „Gläser’s gute Fotostube“ in Hamburg. Ich kassierte ab oder sortierte Pappen im Hinterzimmer, während meine Mutter vorn am Tresen stand und mein Vater hinten im Studio. Ich flitzte zwischen dem Kühlschrank voller Kodak- Filmen und den teuren Studiokameras hin und her und wusste: wenn ich groß bin, werde ich Fotograf. Astronaut konnte ja jeder werden.

Vorspulen. Sommer 1995 oder 96. Pause.

Das Wochenendhaus meiner Eltern an der Ostsee: direkt hinter einem See gelegen, der Geruch nach Meer und Mittagessen lag in der Luft, die Tischtennisplatte stand bereit. Endlich Wochenende! Die Kamera meiner Eltern lag auf dem Tisch, und irgendwann schnappte ich sie mir, um ein Foto von meinem Vater zu machen. Ich war damals ungefähr zehn Jahre alt, doch er hatte schon schlohweiße Haare. Vor meinen Freunden ließ sich damit immer gut angeben: mein Vater ist viel älter als eurer. Haha! Er lächelte, ich machte ein Bild von ihm und legte die Kamera wieder weg. Baden gehen, Kuchen essen, Steine sammeln: es gab noch genug zu tun.

Vorspulen. Vorspulen. Pause.

Als ich Teenager war, starb mein Vater. Das Bild, was ich damals im Sommer von ihm gemacht habe, zwischen Kuchen und Badestrand, ist bis heute ein wertvoller Schatz für mich. Es zeigt ihn so, wie er war. Wenn ich das Bild anschaue, stehe ich wieder bei uns im Garten, er lächelt, und ich drücke auf den Auslöser. Der Moment ist vorbei und irgendwie doch nicht.

Deshalb bin ich Fotograf geworden. So einfach ist das.