Durch einen Schleier aus Flussufernebel sehe ich den Winter vorübergehen, um einen würdevollen Abschied bemüht. Die wilden Rosen, die dürre Schlehe, sie neigen ihre Köpfe in Anteilnahme doch in hohlen Händen verbergen sie heimlich das erste Grün. [...]

Erzähl den Bienen davon

Durch einen Schleier aus Flussufernebel
sehe ich den Winter vorübergehen,
um einen würdevollen Abschied bemüht.
Die wilden Rosen, die dürre Schlehe,
sie neigen ihre Köpfe
in Anteilnahme
doch in hohlen Händen
verbergen sie heimlich
das erste Grün.
Die Spur des Winters verliert sich
im ausgetrockneten Bachbett
dort liegt, auf totem Laub
ein Kirschblütendiamant.
Der Winter ist fort,
und ich erzähle den Bienen davon.

Den Frühling kommt,
tauende Klangkaskaden.
Im Obsthain knacken die Gelenke
im Bachbett ist ein Murmeln zu hören
und auf ungekämmten Wiesen
stecken Buschwindröschen ihre Köpfe zusammen.
Sie sprechen so leise, dass ich sie nicht verstehe
doch als Antwort erblüht
nach einer Frostnacht die Schlehe.
Die Natur trauert nicht,
sie überdauert
mit einem Mondsichellächeln
in Biberdämmen, uralten Feldrandgesängen
in der Wiege zwischen Waldesdünen
ich höre zu
und erzähle es den Bienen.

Die Antwort der Bienen
klingt wie das Rauschen des Radios
im Auto der Großeltern auf dem Weg zum Badesee im Mai.
Nackte Zehen, knisterndes Gras
Schwimmflügelbizeps, Wespen im Glas,
Und auf der Heimfahrt
Ein Fuchs im Scheinwerferlicht
ich hab ihn gesehen
du aber nicht.

Erinnerungen verblassen
als käme die Dämmerung.
Bevor es zu spät ist,
erzähle ich den Bienen davon.

Doch das Problem mit Bienen ist:
sie können nichts für sich behalten.
Sie machen Honig aus meinen Geheimnissen,
drum ist er so süß
und so golden
und schmeckt nach Vermissen.